la-paz-2016

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Das Kinderhilfswerk „Arco Iris“ freut sich 2016 bereits zum fünften Male über personelle Unterstützung durch Ehemalige unserer Schulgemeinde.

Jana Köster (Abitur 2016) berichet aus La Paz über ihre Erfahrungen in den ersten drei Monaten:

La Paz, 7. November 2016

Am 7. August 2016 bin ich müde und geschafft am Flughafen in El Alto, La Paz angekommen. Bei meiner ersten Fahrt durch die Stadt wurde mir direkt bewusst, dass sie etwas ganz Besonderes ist.

Mir fielen direkt die roten Backsteinhäuser auf, welche unverputzt und mit reichlich Graffiti beschmiert waren. Zudem kam es mir sehr staubig vor und ich sah nur wenig Grünflächen oder Bäume. Alles wirkte sehr ärmlich und provisorisch auf mich. Dann begriff ich, dass das Verkehrssystem keinerlei Parallelen zu dem in Deutschland aufwies. Es kam mir wie ein großes Chaos vor und das einzige, was einem zu helfen schien, war die Hupe.

Das Gefühl des Chaos begleitete mich weiter in meine Wohnung, welche ich mir mit drei weiteren Freiwilligen teile. Ich fühlte mich nicht sehr wohl, denn alles fühlte sich an, wie ein großer Dschungel namens La Paz. Ich hatte absolut keine Ahnung, wo genau ich mich befand und ich musste darauf hoffen, zu unserem gemeinsamen Abendessen von unserer Mentorin abgeholt zu werden.

Glücklicherweise kam unsere Mentorin um uns abzuholen und fragte, ob wir ein Stück laufen wollen oder direkt einen Minibus nehmen wollen. Wir stimmten einstimmig für das Laufen, da wir alle vor Neugier nur so platzten. Daraufhin wurde uns erklärt, dass es besser sei, unsere Taschen vor die Brust zu nehmen und mit den Armen zu umschlingen, da an diesem Tag ein Straßenfest auf unserer Straße stattfand, welches mit reichlich Alkohol begleitet wurde. Plötzlich kam Nervosität in mir hoch und ich sah Menschen, welche auf die Straße urinierten, betrunken auf dem Bordstein schliefen oder auf dem besten Weg waren, auch dort zu landen. Überall lag Müll und ich fühlte mich wie in einem Ghetto. Zudem fragte ich mich, ob es jemals für mich möglich sei, das Haus eigenständig zu verlassen. Nach dem Abendessen war ich froh, in meinem Schlafsack zu liegen. Meine Gefühlslage zu diesem Zeitpunkt lässt sich mit ängstlich und verunsichert auf der einen Seite, neugierig und beeindruckt auf der anderen Seite beschreiben.

Auch nach drei Monaten halte ich La Paz immer noch für sehr ärmlich. Straßenkinder, Bettler und Obdachlose gehören leider zur Realität von La Paz. Zudem arbeiten viele Menschen für ihr täglich Brot, sodass man oftmals Cholitas sieht, welche an ihren kleinen Verkaufsständen schlafen, da sie viele Stunden dort verbringen, um Kleinigkeiten wie Erdnüsse oder Schokoriegel zu verkaufen.

Auf dem Prado, welcher eine Einkaufsstraße und das Bankenviertel darstellt, sieht man viele Geschäftsleute, die an Obdachlosen vorbeilaufen, welche versuchen auf den Grünflächen oder auf den Parkbänken ihren Schlaf zu finden. Trotz der großen Armut, welche viele Sorgen und Probleme mit sich bringt, ist der Großteil der Menschen jedoch sehr herzlich, offen und vor allem ehrlich. Gerade am Anfang meines Dienstes, hatte ich Probleme, die Preise richtig zu verstehen, sodass ich mehr Geld gab, als notwendig. Trotzdem bekam ich immer das passende Rückgeld wieder und die Verkäufer machten mich darauf aufmerksam, dass ich den Preis falsch verstanden hätte.

Nun komme ich zu meinem Projekt, in dem ich arbeite. Es handelt sich um ein Mutter-Kind-Heim namens „Casa Refugio“. Es ist ein Zufluchtsheim für minderjährige Mütter, die ungewollt schwanger geworden sind. Die meisten von ihnen sind Opfer sexueller Gewalt geworden, wurden von ihren Partner verlassen oder von ihrer Familie verstoßen. Im „Casa Refugio“ werden sie bei der Bewältigung ihres Alltags unterstützt und auf ein selbstständiges Leben vorbereitet. Das größte und wohl schwierigste Ziel ist es, mehr Akzeptanz zwischen Mutter und Kind aufzubauen und ihre Bindung nachhaltig zu stärken.

An meinem ersten Tag im Projekt wurde ich sehr herzlich empfangen. Küsschen auf die Wange und eine Umarmung gehört hier zu einer normalen Begrüßung dazu, mit welcher ich zum Glück schon vertraut war. Obwohl ich mich sehr willkommen fühlte, wusste ich anfangs nicht, was zu meinen Aufgaben gehörte. Denn anders als beispielsweise in einer Hausaufgabenbetreuung waren meine Aufgabenfelder nicht klar definiert, sodass ich lange Zeit mit dem Gefühl nach Hause ging nichts getan zu haben. Denn im Gegensatz zu den anderen Mitarbeitern saß ich nicht im Büro und schrieb Berichte oder achtete darauf, dass alle Mädchen ihre Aufgaben gewissenhaft erfüllten. Stattdessen half ich der Köchin bei dem Pellen der Erbsen oder saß mit den Mädchen in der Sonne und half ihnen bei dem Waschen ihrer Kleidung.

Mittlerweile ist mir bewusst geworden, dass das „Rumsitzen“ und „das nur Unterhalten“ genau das ist, was meine Arbeit ausmacht. Denn genau das ist es, was die Mädchen brauchen. Eine große Schwester, die ihnen zuhört und Interesse für sie aufbringt. Denn im Laufe der Zeit im Heim, ist mir das traurige Schicksal der Mädchen immer mehr bewusst geworden.

Es gibt Mütter, welche nicht lesen, schreiben und rechnen können. Mädchen, noch Kinder, die selber eigentlich so dringend eine Mutter bräuchten, sind Mütter. Realitäten wie diese bringen mich oftmals zur Verzweiflung. Denn dann sehe ich in Kinderaugen ohne Zukunft, ohne Familie, ohne Bildung. Um gegen diese Realitäten anzukämpfen, arbeitet unser Team tagtäglich mit viel Liebe und Geduld mit den jungen Müttern. Auch ich habe die Mütter und ihre Kinder schon sehr in mein Herz geschlossen und gehe jeden Tag mit Freude zur Arbeit, um die kleinen Erfolge und positiven Fortschritte der Mädchen mitzuerleben.

Ich hoffe, ich konnte euch einen kleinen Eindruck von meinem Leben in La Paz vermitteln.

Viele Grüße aus Bolivien, Jana Köster

Nachwort

Leider kämpft die Fundación immer mehr um den Erhalt der Projekte. Die Vorstellung, dass ein Heim wie das „Casa Refugio“ geschlossen werden muss, ist für mich furchtbar. Denn jedes einzelne Projekt hat eine wichtige Funktion in der Fundación. Durch unseren Sponsorenlauf helfen wir Arco Iris schon sehr.

Doch darüber hinaus können wir momentan jede Hilfe gebrauchen. Bereits kleine Beträge können viel bewirken.

Spendenkonto

Verein zur Förderung der Straßenkinder in Bolivien e. V.

IBAN: DE62 6425 0040 0000 0960 69

BIC:  SOLADES1RWL

Kreissparkasse Rottweil